Auszug aus:

Kurt Lück „Die Umsiedlung der Cholmer und Lubliner Deutschen“ *

In früheren Jahrhunderten wanderten Tausende deutscher Menschen nach allen Himmelsrichtungen aus, weil ihnen das Reich nicht genügend Raum und Entfaltungsmöglichkeiten bot. Die innerpolitischen Verhältnisse waren zudem noch so unerquicklich, daß ihnen der Abschied von der Heimat leicht wurde und sie in der Fremde ihr Heimatland bald vergaßen. Auch die Heimat verlor jeden Zusammenhang mit den ausgewanderten Deutschen. (…)

Zehn Jahre sind es gerade her, als die Cholmer und Lubliner Volksinseln für die breite deutsche Öffentlichekeit entdeckt wurden. Vorher figurierten sie weder auf unseren Karten noch in unserem Schrifttum. Niemand wußte etwas von ihrem Bestehen und von ihrem harten Kampfe um die völkische Selbstbehauptung. (…)

Die Cholmer und Lubliner Kolonien sind Schwestersiedlungen der wolhynischen Volksinseln gewesen, doch haben hier wie da deutsche Aufbaukräfte schon seit dem Mittelalter gewirkt. In der Stadt Cholm saßen nachweislich deutsche Einwanderer schon im 13. Jahrhundert. 1242 erhielt der aus Mainz stammende Lokator Franzko den Auftrag, die alte Grodstätte Lublin auf deutsches Recht umzusetzen. Die neu entstehende Stadt füllte sich mit deutschen Einwanderern. Bis 1504 herrschten in der Stadt deutsche Vögte. Das mächtigste Adelsgeschlecht des Landes waren die Firley (Wappen Lewart), in deren Stadt Lewartow (später vom Volksmunde in Lubartow  umgefälscht) heute noch die Mauern ihres alten Schlosses stehen. Auch diese Stadt war nach ihrer Gründung im 16. Jahrhundert zunächst deutsch besiedelt. Im folgenden Jahrhundert setzte eine neue städtische Einzeleinwanderung nach Lublin ein. Außerdem entstanden 1617 am Bug durch holländische Weiterwanderer aus den Danzigern Werdern die beiden Niederungsdörfer Neudorf und Neubruch, die Ende des 18. Jahrhunderts verpolt wurden. In den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts entstanden im Zuge der Josefinischen Kolonisation im Kreise Zamosc, der  von 1772 – 1809 zu Österreich gehört hatte, die Pfälzersiedlungen Sitaniec, Huszczka Mala und Huszczka Duza, Rogozno, Zabandja, Dorbozy und andere. Durch die Grenzziehung 1809 von der Hauptmasse der galizischen Kolonien abgeschnitten, als Katholiken dem Einfluß der polnischen Geistlichkeit ausgeliefert, wurden die Kolonisten in der Mehrzahl ganz, in der Minderzahl fast ganz verpolt. Deutsch wirken heute nur noch ihre Gesichter, ihre Häuser und Wirtschaften. Ein Zusammenhang zwischen den Pfälzern und den in der Folgezeit entstehenden niederdeutschen Siedlungen in der Gegend Cholm,  Lubartow und Lublin hat nie bestanden.

Dort gründeten 1782 Mennoniten das erste Dorf und zwar Michelsdorf. Wie in Wolhynien so gründete man auch hier die Hauptmenge der Siedlungen zwischen 1860 und 1880. Im ganzen damaligen Gouvernement Lublin zählten 1833 die Deutschen 0,33, dagegen 1895 schon 2,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. In den einzelnen Gemeinden sah das Verhältnis natürlich sehr verschieden aus. Ludwin hatte 24,8, Cycow 41,1, Turka 34,4 und Bukowa 29,1 Prozent Deutsche. Von den 1906 im Gouvernement lebenden 44 753 Deutschen blieben nach der Verbannungszeit des Weltkrieges nur ungefähr 24 000 im Lande.

Die rücksichtslose Verpolungspolitik der polnischen Behörden, die Beseitigung aller  deutschen Schulen, die Einschränkung des Bodenerwerbs hatten die Cholmer und Lubliner Kolonisten in eine so hoffnungslose Lage versetzt, (…) daß sie sich im Sommer 1940 einmütig zur Umsiedlung ins Vaterland meldeten.  (…) Vom 5. September  bis zum    5. Dezember 1940 wurden in 58 langen Eisenbahnzügen   6 721 Familien mit 29 612 Köpfen umgesiedelt. (…) Während die Wolhynier und Galizier in den östlichen Kreisen des Warthegaues eine neue Heimat gefunden haben, siedeln die Cholmer und Lubliner in den westlichen Kreisen, und zwar im Posener Land, Gnesen, Wreschen, Schroda, Schrimm, Neutomischel, Birnbaum, Samter, Scharnikau, Obornik, Kolmar, Wollstein, Kosten, Lissa, Jarotschin. Nach Westpreußen kamen nur 208 Familien aus den Niederungskolonien an der Weichsel bei Warschau. (…)

* in: Das Generalgouvernement, Jahrgang 1, Heft 1  1940, Seite 4 – 8; Text gemeinfrei gem. § 64 UrhG   (Irrtum der Abschrift vorbehalten).