Deutsch-polnische Minderheitenerklärung

vom 5. November 1937*

„Die deutsche und die polnische Regierung haben die Lage der deutschen Minderheit in Polen und der polnischen Minderheit  in Deutschland in einer freundschaftlichen Aussprache behandelt. Sie sind übereinstimmend der Überzeugung, dass die Behandlung dieser Minderheiten für die weitere Entwicklung der freundnachbarlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen von großer Bedeutung ist, und dass in jedem der beiden Länder das Wohlergehen der Minderheit umso sicherer gewährleistet  werden kann, wenn die Gewissheit besteht, dass in dem anderen Land nach den gleichen Grundsätzen verfahren wird.

Zu ihrer Genugtuung haben die beiden Regierungen feststellen können, dass jeder der beiden Staaten im Rahmen seiner Souveränität für die Behandlung der genannten Minderheiten nachstehende Grundsätze als maßgebend ansieht :

  1. Die gegenseitige Achtung deutschen und polnischen Volkstums verbietet von selbst jeden Versuch, die Minderheit zwangsweise zu assimilieren, die Zugehörigkeit zu ihr in Frage zu stellen oder das Bekenntnis zu ihr zu behindern. Insbesondere wird auf die jugendlichen Angehörigen der Minderheit keinerlei Druck ausgeübt werden, um sie ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit zu entfremden.
  2. Die Angehörigen der Minderheit haben das Recht auf freien Gebrauch ihrer Sprache in Wort und Schrift sowohl in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen wie in der Presse und in öffentlichen Versammlungen. Den Angehörigen der Minderheit werden aus der Pflege ihrer Muttersprache und der Bräuche ihres Volkstums sowohl im öffentlichen wie im privaten Leben keine Nachteile erwachsen.
  3. Das Recht der Angehörigen der Minderheit, sich zu Vereinigungen, auch zu solchen kultureller und wirtschaftlicher Art, zusammenzuschließen, wird gewährleistet. Die Minderheit darf Schulen in ihrer Muttersprache erhalten und errichten.
  4. Auf kirchlichem Gebiet wird den Angehörigen der Minderheit die Pflege ihres religiösen Lebens in ihrer Muttersprache und die kirchliche Organisierung gewährt. In die bestehenden Beziehungen auf dem Gebiet des Bekenntnisses und der karitativen Betätigung wird nicht eingegriffen werden.
  5. Die Angehörigen der Minderheit dürfen wegen ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit in der Wahl oder bei der Ausübung eines Berufes oder einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht behindert oder benachteiligt werden. Sie genießen auf wirtschaftlichem Gebiet die gleichen Rechte wie die Angehörigen des Staatsvolkes, insbesondere hinsichtlich des Besitzes oder Erwerbes von Grundstücken.

Die vorstehenden Grundsätze sollen in keiner Weise die Pflicht der Angehörigen der Minderheit zur uneingeschränkten Loyalität gegenüber dem Staat, dem sie angehören, berühren. Sie sind in dem Bestreben festgesetzt worden, der Minderheit gerechte Daseinsverhältnisse und ein harmonisches Zusammenleben mit dem Staatsvolk zu gewährleisten, was zur fortschreitenden Festigung des freundnachbarlichen Verhältnisses zwischen Deutschland und Polen beitragen wird.“

 

Anmerkung:

Seitens der deutschen Reichsregierung wurde als weitergehendes Ziel  der Vereinbarungen u.a. der „Schutz der deutschen Volksgruppe“ insbesondere in ihrem „Recht auf Arbeit und Verbleib auf der angestammten Scholle“ beschrieben.

Faktisch ist die Vereinbarung wirkungslos geblieben, ja sogar zum Teil gezielt ins Gegenteil verkehrt worden.

 

 

* aus: GLASUL MINORITĂŢILOR  / LA VOIX DES MINORITÉS / DIE STIMME DER MINDERHEITEN,  Ausgabe November/Dezember 1937, Seite 232 – 234; als amtliche Veröffentlichung im Sinne des § 5 UrhG gemeinfrei

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